Menschen teilen ihre persönlichen Gefühle und Gedanken, sie trauern und freuen sich gemeinsam, neigen zu spontanen Reaktionen, geben aber auch – intentional oder wider besseren Wissens – ungeprüfte oder gar falsche Informationen weiter. Die digitalen Publikumsbeziehungen, konkret das Kommentarverhalten von Mediennutzerinnen und Mediennutzern, verändern die öffentliche Debattenkultur grundlegend: Potenziell gibt es, besonders bei jungen Zielgruppen, vielfältig verbesserte Teilhabemöglichkeiten an gesellschaftlichen Diskursen sowie an politischer Willens- und Meinungsbildung. Zugleich birgt diese Debattenkultur aber auch hohe Risiken für die demokratische Diskursrationalität.

Für Nachrichtenanbieter und ihre Redaktionen sowie für den Journalismus insgesamt stellt die Dialogisierung mit dem Publikum, insbesondere die Sichtung, Moderation, Prüfung und Freischaltung von Kommentaren, nicht nur eine ideale Gestaltungsmöglichkeit dar, sondern sie ist vor allem eines: frustrierend. Während die Recherche und Publikation geschützter Information zu den Kernaufgaben seriöser Berichterstattung gehören, wird die Moderation von Nutzerdiskursen von Redaktionen in den Kommentarspalten ihrer Nachrichtenangebote – angesichts mangelnder Ressourcen – nach wie vor als unangenehme Zusatzaufgabe empfunden.

Im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW und mit finanzieller Unterstützung von Google Deutschland haben wir das Diskussionsverhalten der Nutzerinnen und Nutzer führender Nachrichtenmarken im Netz und deren konkrete Moderationsstrategien untersucht. Analysiert wurden die redaktionellen Websites bzw. jeweils ein Social-Media-Auftritt von Deutschlandfunk Kultur, RP Online, RTL und Tagesschau.de. Im Zentrum des Erkenntnisinteresses stand die Frage, wie journalistische Medien in Interaktion mit ihrem Publikum durch gezielte Strategien und redaktionelle Steuerungsmechanismen (u. a. Moderation, Community Management, Audience Engagement, Löschpraktiken) Nutzerdiskurse konstruktiv begleiten und ausufernde Debatten regulieren können. Die Studie soll Redaktionen Ansatzpunkte in (potenziell) hassgetriebenen Diskussionen aufzeigen, um diese problemlos in den Redaktionsalltag integrieren zu können.

Wir danken: Viviane Harkort, Lara Malberger, Daniel Moßbrucker, Lisa-Marie Eckardt (Projektmitarbeit); Dr. Nicola Balkenhol und Torben Waleczek (Deutschlandfunk Kultur); Daniel Fiene, Julia Nix, Mathias Schumacher und Henning Bulka (RP Online); Christian Beissel (RTL Interactive); Christina Elmer, Torsten Beeck, Eva Horn, Philip Löwe und Werner Theurich (Spiegel Online); Dr. Kai Gniffke, Christiane Krogmann, Rike Woelk und Sven Königsmann (Tagesschau.de); Sabine Frank und Anika Lampe (Google Deutschland); Patricia Georgiou und Lucas Dixon (Perspective API); Dr. Meike Isenberg, Marie-Franca Hesse und Mechthild Appelhoff (Landesanstalt für Medien NRW).

Die ausführlichen Ergebnisse werden im Herbst 2018 im VISTAS Verlag veröffentlicht.
Bremen/Hamburg im Juni 2018, Leif Kramp & Stephan Weichert